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Jede Klasse kann leise sein


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Raumakustik

Hintergrund, Literatur und relevante Normen zur Raumakustik

Raumakustik - was ist das überhaupt?

Die Raumakustik beschäftigt sich damit, wie ein Raum für einen bestimmten Zweck wie Musikdarbietung oder eben Unterricht funktioniert. Es geht also nicht darum, Geräusche von außen fernzuhalten (das ist die Bauakustik), sondern nur um das, was im Hörbereich in einem Raum geschieht - und wie man den Raum für einen Zweck optimal gestalten kann:
Eine Bibliothek z.B. braucht/soll nicht so gestaltet zu werden, dass alle einen Sprecher gut hören, ein Klassenraum soll sich nicht wie eine Konzertsaal anhören.

Warum ist das wichtig für den Unterricht?

Viele Schulgebäude sind in den 1950ern - 1970ern gebaut. Damals musste schnell für wenig Geld viel Unterrichtsraum gebaut werden, daher hat man viele Aspekte der Raumakustik vernachlässigt. Auch bei Sanierungen wird meist mehr auf die Optik als auf die Akustik geachtet. Auf Bildern sieht man halt nicht sofort, ob ein Raum auch für die Ohren funktioniert. Leider tun das sehr viele Klassenräume eben nicht.

Ablauf der Laermspirale
Die Lärm-Spirale

Wenn die Wände, Decken und der Boden eines Raumes zu viel Schall reflektieren, setzt das eine Lärm-Spirale in Gang: Durch die Stimme der Lehrerin / des Lehrers, Tuscheln untereinander, Bewegungen usw. entsteht ein allgemeiner Geräuschpegel. Der führt dazu dass alle diesen Geräuschpegel übertönen wollen und lauter sprechen bzw. unaufmerksamer werden, weil sie nicht mehr viel verstehen. Das steigert natürlich den allgemeinen Geräuschpegel und alle sprechen noch lauter… Die Spirale dreht sich nach oben. Der Effekt heißt in der Wissenschaft "Lombard-Effekt".

Schallwege in der Klasse
Prinzipielle Schallwege: Erwünschter Direktschall (grün),
Nützliche frühe Reflexion an der Wand (orange)
und die unerwünschte Reflexion mit langem Weg über die Rückwand
(Erstellt mit www.roomle.com, nachbearbeitet)

Nicht nur der Lärm- und Stresspegel nimmt zu, sondern auch die Verständlichkeit von Sprache nimmt in Räumen mit viel Hall (also: vielen Reflexionen über die Decke und Wände) ab, weil sich manche Frequenzen rein physikalisch auslöschen oder sich Teile der Silbe, die man direkt vom Sprecher hört und die z.B. von der Rückwand der Klasse reflektierte Vorgängersilbe überlappen… da kommt nur noch Kauderwelsch am Ohr bzw. im Kopf an.
Man nimmt an, dass bis zu 70% des Lernstoffes über Zuhören in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler landet… oder eben nicht, wenn der Lehrer/die Lehrerin einfach nicht zu verstehen ist. Wer nicht nur den Inhalt, sondern auch noch die Sprache lernen muss, hat es da natürlich besonders schwer.

Erwünschte und unerwünschte Schallreflektion

Tatsächlich sind nicht alle Reflektionen unerwünscht: Der Schall, der nur 1x über die Decke oder die Seitenwände reflektiert wurde, wirkt verstärkend - und ist damit positiv. Daher mist es auch nicht sinnvoll, die Decke in der Mitte eines Klassenrraumes mit Schallschluckern zu bekleben.
Erst wenn diese Reflektionen ein paar mal im Raum hin- und herlaufen, dann werden die Laufzeiten so lang, dass sie genau wie die Reflektion von der Rückwand die Verständlichkeit stören. Fazit: Einfach nur dämpfen wird nicht einfach nur gut, sondern die AkustikMa&azlig;nahmen müssen auf die Verwendung als Klassenraum abgestimmt sein.

Maskieren und die tiefen Frequenzen

Warum auch die Dämpfung niedriger Frequenzen wichtig ist, obwohl wir doch vorwiegend die mittleren Töne z.B. für das Richtungshören brauchen, lässt sich gut mit den allseits verwendeten mp3 Musikdaten erkären: Der mp3-Algorithmus vermag es ziemlich smart, aus dem riesigen Datenstrom eines Musikstückes diejenigen Anteile auszusortieren, die durch laute Geräusche maskiert werden - die wir also nicht wahrnehmen. Durch das Weglassen sind MP3s schön klein und lassen sich mit wenig Datenvolumen auch per Handy streamen und trotzdem klingt die Musik noch gut. MP3s sind überall - das mit dem maskieren und weglassen klappt also da echt gut.

Aber leider ist eine Wand, die Schall zurückwirft, nicht so smart wie der MP3-Algorithmus: Daher maskieren Töne und Silben, die von einer Wand oder Decke auf das Ohr treffen eben auch für das Verstehen wichtige Anteile - und eben auch laute tiefe Töne die eigentlich wichtigeren hohen Töne.

Was kann man dagegen tun?

Toll wäre, wenn alle Oberflächen gleichmäßig für alle Frequenzen etwas Schall schlucken würden. Das geht aber nicht - die Fenster sind immer hart und reflektieren den Schall, die Wände braucht man auch für Bilder, die Tür, die Tafel usw. Daher muss man mit sowenig Oberfläche im Raum so viel Effekt wie möglich rausholen:

Tatsächlich sind zwei Maßnahmen am effektivsten:
  • Die Rückwand des Klassenzimmers mit sogenannten "Absorbern" ausstatten, die den Schall möglichst komplett absorbieren. Das schneidet den längsten Weg des Schalls ab, bei dem sich direkt gehörte Töne und die Reflektion von der Wand gegenseitig stören. Leider sind diese Wandabsorber nicht ausreichend gut für tiefe Frequenzen.
  • Entlang der Raumkanten möglichst viel Schall absorbieren - mit sogenannten "Kantenabsorbern". Wand und Decke bilden dort eine Art "Trichter" für den Schall, weswegen absorbierendes Material hier sehr effektiv Schall schluckt. Wenn diese Kantenabsorber rund 40cm stark sind, dann dämpfen sie auch tiefe Frequenzen.
Position der Absorber in der Klasse
Prinzipielle Anordnung der Wand- und Kantenabsorber in einer Klasse
an der Rückwand und entlang der langen Raumkanten der Decke
(Erstellt mit www.roomle.com)

Wenn die Decke in der Mitte des Raumes keinen Schall schluckt, sondern reflektiert - dann ist das in der Regel sogar ganz gut, denn die Reflexion von der Decke verstärkt die Stimme des Lehrers / der Lehrerin noch etwas.

Wann klingt/funktioniert ein Klassenzimmer denn gut?

Tatsächlich gibt es da eine Norm, die das beantwortet. Aus der DIN DIN18041-2016 kann man anhand von Rechenvorschriften und Diagrammen bestimmen, dass der Nachhall eines üblichen Klassenraumes mit rund 70m2 für Frontalunterricht ohne Inklusion im Wesentlichen zwischen 0,3s und 0,7s betragen soll. Viele Klassenräme liegen um den Faktor zwei oder mehr darüber.

Mit dem Verfahren auf der Messtechnik-Seite kann man diesen Nachhall vermessen und so auch einen Vorher/Nachher-Vergleich als Erfolgskontrolle anstellen.

Literatur

  • Die Norm DIN18041-2016 – kann man sich mit einem Leserausweis vor Ort in den meisten Universitäts-Bibliotheken online ansehen
  • Gute Zusammenstellung aller relevanten Themen: Detlef Hennings - "Gute Akustík für Schule und Kommunikation" bei Books On Demand (externer Link)
  • Eine kurze Zusammenfassung der DIN18041-2016 (externer Link).
  • Das Buch "Raum-Akustik und Lärm-Minderung Konzepte mit innovativen Schallabsorbern und -dämpfern" von Helmut V. Fuchs im Springer-Verlag. Sehr interessanter Rundumschlag mit sehr vielen Hinweisen zum Aufbau von Absorbern und Ihrer Anwendung. Mit einem besonderen Augenmerk darauf, auch die tiefen Frequenzen bei akustischer Optimierung von Unterrichtsrämen nicht zu vernachlässigen.
  • Eine Zusammenfassung (externer Link) des FSA, die insbesondere auch auf die Wirksamkeit von Kantenabsorbern eingeht
  • Die vom Schulministerium NRW empfohlene Broschüre Lärmminderung in Schulen (externer Link) aus dem Jahr 2007, die die Ursachen und Auswirkungen von Lärm auf das Lernen ausführlich erklärt, aber im "Was kann man tun?"-Teil noch nicht auf die etwa ab 2010 aufgekommenen hocheffizienten Kantenabsorber eingeht.

Texte und Bilder sind CC BY-NC-SA 4.0 wenn nicht anders angegeben